Jugendhilfe und Fachkräftemangel – oder: Jugendhilfe anders denken
Die Klage: der Fachkräftmangel führt zu einer Veschlechterung der Jugendhilfe
Wir betrachten mit großer Sorge die Verschlechterung der Situation von Familien, Kinder und Jugendlichen insbesondere in der Nach-Corona-Zeit. Fachkräftemangel allüberall. Ebenso betrachten wir sorgenvoll die Situation in den Allgemeinen Sozialen Diensten, den Wohngruppen, den Krisen- und Schutzstellen und den ambulanten Hilfen zur Erziehung.
Die Klage, die derzeit allerortens zu hören ist: Die Jugendhilfe scheint zu kollabieren. In den ASD-Arbeitsbereichen der Jugendämter sind zeitweise bis zu 50 % der Fachkraftstellen nicht besetzt oder durch Krankheit und Überlastung nicht entsprechend der fachlichen Standards arbeitsfähig. Die freien Träger der Jugendhilfe können z.T. Ihre Angebote nicht aufrecht erhalten, Inobhutnahmen müssen auf Grund von Fachkräftemangel vorübergehend schließen.
Das System der Kinder- und Jugendhilfe als wichtige Infrastruktur ist in Gefahr. Es kann seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr oder nur noch bedingt erfüllen. Damit sind Gerechtigkeit und Lebenschancen von jungen Menschen nachhaltig gefährdet.
Was lässt sich machen?
Ja, die Fallzahlen bei Kinderschutz und HzE nehmen stetig zu. Die Corona-Folgen sind derzeit noch nicht vollumfänglich in die Statistiken eingeflossen.
Die Kolleginnen und Kollegen im ASD haben immer größere Probleme, zeitnah geeignete stationäre Plätze oder bedarfsgerechte ambulante Unterstützungen zu bekommen. Der Ruf nach mehr Inobhutnahmeplätzen, nach mehr Wohngruppenplätzen, nach mehr an ambulanten HzE wird immer lauter.
Aber: Mehr vom Gleichen ohne In-Frage-Stellung der bisherigen Entwicklungen ist selten eine gute Idee.
Wir fragen uns, ob hinter den beschriebenen Entwicklungen nicht auch eine veränderte Problemsicht steht. Die intensive Auseinandersetzung mit den Bedarfen der Familien und jungen Menschen bleibt immer öfter auf der Strecke. Die Arbeit ist immer mehr an kinderschutzfokussierter Kinder- und Jugendhilfe orientiert und weniger an der Grundhaltung der ganzheitlichen Kinder- und Jugendhilfe, bei der Partizipation von Jungen Menschen und Eltern und die Förderung familiärer Systeme im Vordergrund steht.
„Insofern ist zu fragen, ob allein auf Kinderschutz zu setzen, ohne (ausreichend) präventive bzw. unterstützende Angebote (z. B. der offenen Jugendarbeit) ausreichend zu fördern, nicht ein Rückfall in Richtung ‚Fürsorge‘ und totale Objektivierung von Kindern, Kindheiten und Familien bedeuten könnte.“ (Klundt 2021: S. 95)
Der Blick auf die Familien verändert sich zunehmend: „Re-Privatisierung gesellschaftlicher und familiärer Aufgaben – Familien sind allzuständig – Familien, insbesondere Alleinerziehende, werden fast nur als Risiko dargestellt und viel seltener als ungerechterweise benachteiligte Gruppen mit zu fördernden Ressourcen, mit denen gearbeitet werden muss“ (ebd.)
Jugendhilfe neu denken
Für uns bedeutet das:
- Müssen wir nicht Kinder- und Jugendhilfe neu denken?
- Braucht es nicht ein Umdenken von „mehr Plätze“ zu „Andere Hilfen“
- Sollten wir nicht Jugendhilfe mal ganz quer denken?
- Müssen wir nicht die Fachkräfte in der notwendigen Arbeit der Sozialanamnese, der Arbeit mit Eltern zur Problemeinsicht und Unterstützungsannahme bündeln, statt im „Feuerwehrmodus“ tw. nur noch das Schlimmste zu verhindern?
Was braucht es an Strukturen und Geschäftsprozessen bei den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe, um dem insbesondere auch im KJSG festgeschriebenen Auftrag der Unterstützung tatsächlich Rechnung zu tragen.
Was braucht es an Fachwissen, Strukturen und Angeboten bei den freien Trägern der Jugendhilfe, um Eltern wieder in die Elternverantwortung zu bringen und Kindern die Rückkehr in ein verbessertes Zuhause zu ermöglichen?
Dem wollen wir uns mit Ihnen widmen. Daran wollen wir diskutieren, beraten, Konzepte entwickeln, Prozesse modellieren, Umsetzungen begleiten – Jugendhilfe eben neu oder anders Denken.
Kommen Sie also gern auf uns zu, wenn Sie Unterstützung bei Konzeptentwicklung oder Organisationsberatung benötigen und in Ihrer Gestaltung der Jugendhilfe Unterstützung bei der Qualifizierung Ihrer Mitarbeitenden benötigen.